Privatsphäre als Werbeargument zieht jetzt auch nicht mehr


Diese Text wurde ursprünglich am 17. August 2021 im Rahmen meiner Kolumne Digital Total veröffentlicht, welche jeden Dienstag in der Ostfriesen-Zeitung erscheint.

Aufmacherbild: Apples legendärer “1984”-Kurzfilm, Super-Bowl-Werbung für den Macintosh (Regie: Ridley Scott, 1983)


Apple war schon immer gut darin, seine Produkte mit einem guten Gefühl zu bewerben, das nichts mit der eigentlichen Technik zu tun hat. Seit Mitte der Neunziger macht die Firma das sehr erfolgreich, in dem sie ihren Kunden vermittelt, sie seien besonders kreativ. Große Teile der Videoindustrie, fast die ganze Marketingbranche und auch sehr viele professionelle Schreiber verwenden deswegen Apple-Geräte, weil sie durch jahrzehntelange Werbung darauf konditioniert sind, dass kreative Menschen nun mal Macs, iPads und iPhones benutzen.

Seit ein paar Jahren hat Apple eine weitere Nische äußerst erfolgreich besetzt: Privatsphäre. Als Google dem iPhone mit seinem eigenen Android-Betriebssystem die Marktführung abnahm, ersannen die Werbe-Strategen bei Apple eine Gegenstrategie. Was ist das Negativste an Google, von dem sich Apple absetzen könnte? Die Tatsache, dass Google Geld mit den Daten seiner Kunden macht. Und so schlug Apple mit seiner Werbung nun in eine neue Kerbe: Wir sind der Hardware-Lieferant für alle, denen die eigenen Daten wichtig sind. Dass Apple kein Geld mit den Daten seiner Kunden macht, liegt aber wohl eher daran, dass der Firma dazu das Know-How fehlt. Apple war noch nie gut darin, Web-Plattformen zu bauen und viele Nutzer für sie zu gewinnen – die Voraussetzung dafür, möglichst viele Daten über möglichst viele Menschen zu sammeln. Und da man bei dem Versuch, Google mit eigenen Mitteln zu schlagen, scheiterte, entschied man sich, das als Werbe-Argument zu nutzen.

Wie hohl dieses Versprechen ist, wurde in der vergangenen Woche deutlich, als Apple ankündigte, die Privatsphäre der eigenen Dienste für Backups und Smartphone-Direktnachrichten auszuhebeln, um in den Daten der Kunden automatisch nach Nacktbildern zu suchen. Laut Apple alles zum Schutz von Minderjährigen. Trotzdem kauft der Firma nun niemand, der IT-Sicherheit und Datenschutz ernst nimmt, ihre Werbeversprechen mehr ab. Vielleicht wachen die Kreativen ja auch irgendwann auf.