Moia, Shmoia
Angeblich ist das E-Bus-Ride-Sharing von Moia in Hamburg ein voller Erfolg. Komisch nur, dass hier immer alle Busse leer rumfahren.
Seit knapp einem Monat fahren die umgebauten E-Crafter der VW-Tochter Moia durch Hamburg. Die Firma ist extrem ambitioniert mit 100 Fahrzeugen gestartet und hat die Erlaubnis, insgesamt 200 Autos zu betreiben. Noch fehlen dafür wohl die Fahrer, aber schon jetzt will man mehr Fahrzeuge, und zwar weil Moia angeblich schon jetzt die Nachfrage nicht erfüllen kann sagt der NDR. Ich halte das für PR-Bullshit.
Ich sehe seit Wochen die Moia-Busse hier bei uns im Hamburger Norden Schleife fahren. Von Hunderten von Fahrten habe ich erst ein einziges Mal einen Bus gesehen, in dem mehr als eine Person saß. Und ich gucke jedes mal ganz genau hin. Meiner Einschätzung nach sind tagsüber hier im Norden mindestens 90% der Moia-Busse leer unterwegs. Das wird Freitag und Samstags abends in der Innenstadt ganz anders aussehen. Ich glaube Moia gerne, dass man dort dann den Bedarf nicht decken kann. Gemittelt auf den ganzen Betriebstag von 5 Uhr morgens bis 1 Uhr nachts trifft das aber auf keinen Fall zu. Nie im Leben.
Laut der NDR-Geschichte, der offensichtlich keine eigene Recherche zugrunde liegt und die wohl nur eine Pressemitteilung wiederkäut, hat Moia in den ersten dreieinhalb Wochen gut 60.000 Buchungen gehabt. Bei einer Flotte von 100 Autos sind das 600 Buchungen pro Bus. Gehen wir bei den von Moia angegebenen “dreieinhalb Wochen” von 25 Tagen aus, dann sind das 24 Buchungen pro Bus pro Tag. Wenn wir vereinfacht annehmen, dass eine ganze 20-Stunden-Tagesschicht von einem E-Crafter abgedeckt wird – was auf Grund der begrenzten Reichweite der Dinger unrealistisch ist – dann müsste jede Fahrt im Schnitt 50 Minuten dauern, um volle Auslastung zu garantieren.
Diese vereinfachte Rechnung krankt allerdings arg an mangelnden Informationen. Offen ist etwa, ob Moia bei der Auslastung die Zeit mit einrechnet, in der ein Bus an der Ladestation hängt und somit ausfällt. Oder ob die Firma in Wirklichkeit mit mehr als 100 Bussen unterwegs ist, um diese Lade-Ausfälle auszugleichen. Ebenso ist nicht klar, ob mit den 60.000 Buchungen einzelne Passagiere gemeint sind, oder ob zum Beispiel eine Fahrt mit drei Fahrgästen als drei Buchungen gezählt wird. All das sind Fragen, die meine öffentlich-rechtlichen Kollegen eigentlich hätten klären müssen, bevor sie ihre Meldung veröffentlichten. Auch die angebliche Quote von 60% für Fahrten, bei denen mehr als ein Passagier befördert wird, halte ich für geschönt. Da hätte ich auch noch mal genauer nachgefragt, wie Moia auf dieses Ergebnis kommt.
Das alles deckt sich ganz und gar nicht mit meinen, zugegeben stichprobenhaften, Beobachtungen. Womit es sich allerdings deckt, sind meine Erfahrungen in Hannover, wo Moia im letzten Jahr – noch mit Bullis mit Verbrennungsmotoren – ein erstes Pilotprojekt gestartet hatte. Selbst bei meinen damaligen extrem-E-Auto-affinen Kollegen war Moia nur so lange ein Thema, als noch die verbilligten Einführungstarife galten, bei denen die Firma unter Garantie jede einzelne Fahrt bezuschusste. Sobald der Preis angehoben wurde und einzelne Fahrten nicht mehr billiger waren als die öffentlichen Verkehrsmittel des GVH, war Moia kein Thema mehr. Und selbst damals habe ich die Busse immer nur leer oder mit maximal einem Fahrgast gesehen.
Die kostenlose NDR-Publicity hat Moia garantiert ein paar neue App-Installationen verschafft. Aber ich bin wirklich mal gespannt, wie lange die Firma noch so optimistische Töne von sich gibt. Falls das “Ride Sharing” auch dauerhaft auf Einzelfahrten herausläuft, dürfte es hart für die VW-Tochter werden. Irgendwann werden sie nämlich die Investitionen rechtfertigen müssen, die bei so einem Start ziemlich enorm gewesen sein dürften.
Aufmacherbild: Moia