Rechte statt Grundrechte
Warum sich überhaupt mit Themen nuanciert auseinandersetzen, wenn man stattdessen die Nazikeule schwingen kann?
Für meine Kolumne letzte Woche ist mir ziemlich viel Gegenwind entgegen geschlagen. Das überrascht mich erst mal nicht. Was mich allerdings ziemlich überrascht hat, ist die gähnende Leere der Argumente von Seiten der Kritiker. Da kam gar nichts zum Gesetz selber. Oder dazu, welche der Grundrechtseinschränkungen denn nun sinnvoll sind. Meinen Kritikern ging es fast ausschließlich darum, dass bei der Demo in Berlin ja wohl Neonazis oder solche, die es werden wollen, mitmarschiert sind. Deswegen könne man ja wohl auf keinen Fall da mitlaufen.
Ich frage mich bis heute, was für ein Argument das sein soll. Die Bundesregierung prügelt im Eiltempo nie dagewesene Grundrechtseinschränkungen durch und dann meint ihr, niemand darf dagegen protestieren, weil eurer Meinung nach die falschen Leute die Demo angemeldet haben? Ich mein klar, wenn mehr Zeit dagewesen wäre, hätte man ja theoretisch auch an einem anderen Tag oder woanders demonstrieren können. Aber die Regierung und die Mehrzahl der Abgeordneten im Bundestag haben ja dafür gesorgt, dass das kaum möglich war. Und als Konsequenz darf dann gar keiner mehr demonstrieren, weil wenn man mit zigtausend Menschen auf der Straße ist und da sind irgendwo ein paar Neonazis dabei, ist man automatisch auch Neonazi? Habt ihr se noch alle?
Von ein paar von den Leuten, mit denen ich da im Verlauf der letzten Woche drüber diskutiert habe, weiß ich, dass sie auch mal auf Demos waren, wo ein Schwarzer Block mitgelaufen ist, dessen Mitglieder offensichtlich bei der Demo waren, um Privat- oder Staatseigentum zu zerstören und Polizisten zu verletzen. Aber nur weil ein paar linksautonome Deppen auf ner Demo mitlaufen, werfe ich das ja nicht den Menschen vor, die dort friedlich aus guten Gründen demonstrieren. Oder spreche denen das Recht ab, gegen Dinge öffentlich einzutreten, die sie als falsch und ungerecht empfinden.
Wenn man demonstrieren geht, geht es erst mal nicht drum, wer da noch mitläuft. Es geht darum, warum man selber da ist und wie man auftritt. Und es ist absolut idiotisch, tausende Menschen alle über einen Kamm zu scheren, nur weil eine Gruppe Spinner dabei waren und die dann von der Tagesschau interviewet wurden. Ich finde es eindeutig wichtiger, dass man überhaupt gegen sowas wie dieses unsägliche Gesetz demonstriert. Und mein Respekt gilt erst mal allen, die an dem Tag auf der Straße waren. Vor all diesen Leuten habe ich grundsätzlich schon mal weit mehr Respekt, als vor irgendwem, der mich auf Twitter vom Komfort seines Sofas aus angeht.
Zumal euch schon erst mal Kritik zur Sache einfallen muss. Ich will erst mal hören, warum man gegen so ein Gesetz nicht demonstrieren sollte. Und danach können wir uns vielleicht mal drüber unterhalten, wie man die Demo anders hätte organisieren können. Zuerst einmal sehe ich da allerdings die Regierung in der Pflicht, die dieses Gesetz auch vernünftig hätte prüfen und im Bundestag hätte besprechen können. Dann hätten wir mehr Zeit gehabt, nuancierter dagegen zu demonstrieren und der Gesetzestext wäre ganz nebenbei vielleicht auch nicht so eine zusammengeschusterte Vollkatastrophe geworden.