Facebook löscht Heine-Zitat als Hassrede. Kann man sich nicht ausdenken.

Heinrich Heine ist einer der bedeutendsten deutschen Dichter. Jeder Schüler eines deutschen Gymnasiums hat wohl mindestens eins seiner Gedichte besprochen. Seine Heimatstadt Düsseldorf hat die dortige Universität nach ihm benannt. Heine, der, wie viele Dichter, zeitweise als Journalist sein Geld verdiente und 1856 im Exil in Paris starb, war Zeit seines Lebens wegen seiner jüdischen Herkunft von deutschen Nationalisten verfolgt worden. Im Deutschen Bund waren seine Werke verboten (genau wie die seines Bonner Kommilitonen Karl Marx). Das machte die wichtigste Erwerbsquelle des Dichters zunichte und bedrohte seine Existenz über die Landesgrenzen hinaus im Exil. Auch weit über den Tod hinaus wurde Heine verfolgt: Die Nationalsozialisten ließen seine Bücher verbieten und zerstörten Denkmäler des Dichters.

Anscheinend leben wir nun wieder in Zeiten, in denen Heines Weisheiten unbeliebt sind. Eine schriftliche Bemerkung Heines, nach seinem Tode in der Aphorismen-Sammlung Gedanken und Einfälle veröffentlicht, lautet wie folgt:

Der Deutsche gleicht dem Sklaven, der seinem Herrn gehorcht, ohne Fessel, ohne Peitsche, durch das bloße Wort, ja durch einen Blick. Die Knechtschaft ist in ihm selbst, in seiner Seele; schlimmer als die materielle Sklaverei ist die spiritualisierte. Man muß die Deutschen von innen befreien, von außen hilft nichts.

Angesichts der aktuellen Vorgänge in unserer Republik erschien dem Stralsunder Privatbürger Dirk Schwarzrock diese historische Bemerkung wohl auch heute noch äußerst zutreffend und er postete den Spruch des Dichtervaters auf Facebook. Facebook reagierte mit einer Löschung des Spruchs. Schwarzrock postete den Aphorismus erneut, daraufhin wurde sein Konto gesperrt.

Laut Bild1 ist Facebook der Meinung, das Heine-Zitat verstoße “gegen die Gemeinschaftsstandards zu Hassrede und Herabwürdigung”. Ein Schlag ins Gesicht für jeden auch nur einigermaßen literarisch bewanderten Deutschen, der noch klar denken kann. Ganz zu schweigen vom mangelnden Respekt gegenüber dem intellektuellen Nachlass und dem Namen von Heinrich Heine. Der Praktikant (oder war es ein Algorithmus?) bei Facebook war wohl nie auf einem Gymnasium. Oder hat im Deutsch- und im Geschichtsunterricht gepennt.

Schwarzrock hat Klage beim LG Stralsund eingereicht. Völlig zurecht. In der Bild sagt er:

Ich bin über das Verbot des Heine-Zitates entsetzt. 1986 bin ich einst aus dem SED-Regime ausgereist, nachdem ich den NVA-Wehrdienst verweigerte und inhaftiert wurde. Ich hätte mir nicht vorstellen können, dass die freie Meinungsäußerung einmal wieder so eingeschränkt werden würde.

Dem ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen.

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Aufmacherbild: Heine-Portrait von Moritz Daniel Oppenheim, 1831


  1. Wie kaputt unsere heutige Gesellschaft ist, sieht man schon allein daran, dass ich hier die Bild zitieren muss, weil sich anscheinend ansonsten kein etabliertes journalistisches Medium in Deutschland dazu herablassen wollte, über diesen Missstand zu berichten. Das ist das erste Mal, dass ich in meinem Blog die Springer-Presse zitiere. Es tut mir in der Seele weh, aber meiner Recherche nach ist dies ein wahrheitsgemäßer Bericht und ich habe keine besseren Quellen gefunden, die ich direkt verlinken kann. ↩︎