Zahnbürstenköpfe in den Ohren
Über einen interessanten Nebeneffekt von Apples kabellosen Kopfhörern.
Diese Text wurde ursprünglich am 27. Juli 2021 im Rahmen meiner Kolumne Digital Total veröffentlicht, welche jeden Dienstag in der Ostfriesen-Zeitung erscheint.
Aufmacherbild: AirPods-Werbung, Apple
Als Apple seine kabellosen Kopfhörer vor fünf Jahren zum ersten Mal vorgestellt hat, haben viele Beobachter über die AirPods gelacht. Ein bisschen zu Recht, denn es sah wirklich erst mal danach aus, als ob sich die Apple-Fans morgens statt Kopfhörer die Bürstenköpfe ihrer elektrischen Zahnbürste in die Ohren gesteckt hätten. Es kam wie es kommen musste und dieser peinliche Look entwickelte sich später tatsächlich zu einem begehrten Mode-Accessoire. Mittlerweile ist es so weit, dass sich Musiker mit den weißen Knöpfen im Ohr auf Alben-Covern ablichten lassen. Das soll wohl Kreativität symbolisieren.
Ich habe allerdings festgestellt, dass die Popularität von Apples kabellosen Kopfhörern neben dem modischen Aspekt noch einen anderen, ganz lustigen, Nebeneffekt hat. Viele Menschen telefonieren dank der AirPods zum ersten mal mit Noise-Cancelling-Kopfhörern – diese Geräte unterdrücken Umgebungsgeräusche, um das am anderen Ende der Leitung Gesagte besser hörbar zu machen. Noise-Cancelling-Kopfhörer haben einen ähnlichen Effekt, wie die gut isolierten Ohrmuscheln an Kopfhörern, wie sie professionelle Ton-Techniker verwenden: Sie sorgen dafür, dass die Umgebung sehr leise wahrgenommen wird. Was wiederum dazu führt, dass deren Nutzer ziemlich laut reden. Ein psychologischer Effekt lässt uns unterbewusst lauter werden, da unser Hirn denkt, dass auch unser Gesprochenes von der anscheinend Lautstärke-resistenten Umgebung geschluckt wird.
So weiß ich jetzt, dank Home Office und AirPod-Besitzer auf dem Nachbarbalkon, was in der Personalabteilung einer großen deutschen Unternehmensberatung so alles schiefläuft. Und erst neulich hat sich eine junge Frau vor meinem Büro von ihrem Verlobten getrennt. Wegen ihrer AirPods so lautstark, dass es mühelos durch die Dreifachverglasung schallte, als stände sie neben mir. Was da gesagt wurde, behalte ich lieber für mich. Das nächste Mal, wenn Sie jemanden mit den weißen Dingern im Ohr telefonieren sehen, bleiben Sie doch mal in der Nähe.