Der Geburtsfehler des digitalen Staates

Bedauerlicherweise leidet der digitale Staat […] (unbeabsichtigt) an einer Art Geburtsfehler. Wie im privatwirtschaftlichen Sektor wird die Notwendigkeit der Digitalisierung staatlicher Institutionen, Strukturen und Prozesse oft mit einer verbesserten Effizienz begründet. Während Effizienzsteigerungen auch im öffentlichen Sektor an sich begrüßenswert sind, ist allerdings nur wenigen bewusst, zu welchem Preis sie in einer digitalen Welt erkauft werden müssen: Effizienz lässt sich vor allem dadurch steigern, dass (digitale) Prozesse oder Vorgänge optimiert werden. Um optimieren zu können, braucht es wiederum Informationen über die Prozesse und Vorgänge, die zunächst erhoben werden müssen. Wenn die Informationen nun aber digital erhoben werden, können sie dauerhaft gespeichert werden, sind leicht auffindbar und stehen somit immer wieder für weitere Auswertungen zur Verfügung. Solche Informationserhebungen mögen nicht direkt auf eine (spätere) Kontrolle zielen, allerdings erleichtern und ermöglichen sie diese immer auch. Das gilt umso mehr im staatlichen Kontext der Machtausübung. Man muss sich daher bewusst machen: Effizienzsteigerungen im digitalen Raum implizieren zugleich Kontrolle. Anders ausgedrückt: In der digitalen Welt weitet die Optimierung quasi per Definition die Kontrollmöglichkeiten aus und erhöht damit auch die Risiken, diese Möglichkeiten (früher oder später) zu missbrauchen.

— Christian R. Ulbrich & Bruno S. Frey, Automated Democracy – Die Neuverteilung von Macht und Einfluss im digitalen Staat