Ich bin den Lehrern wohl zu analog

Eine Kolumne über einen abgesagten ehrenamtlichen Schulbesuch.

Meine Notizen für den besagten Schulbesuch

Digital Total
Dies ist die 233. Ausgabe meiner Dienstags-Kolumne Digital Total, die früher in in der Ostfriesen-Zeitung veröffentlicht wurde. Seit dem 1. Juli 2025 führe ich diese Kolumne hier in meinem Blog weiter.

Vor einiger Zeit sah ich in einem Newsletter des DJV — meiner Gewerkschaft — einen Aufruf, sich für das Programm Journalismus macht Schule als Freiwilliger zu melden. Dieses Programm ermöglicht es Lehrern, Journalisten in ihre Klassen zu holen, die den Schülern — begleitend zum Unterricht — etwas aus ihrer Berufspraxis beibringen. Da ich ziemlich viel Kritik an der Presse, und auch an der Medienkompetenz der Öffentlichkeit, übe, sah ich diese ehrenamtliche Arbeit als schöne Gelegenheit, etwas Gutes zu tun, das die Situation vielleicht in die andere Richtung ändert und die Welt ein kleines Stück besser macht. Seitdem war ich nun schon ein paar Mal auf Anfrage von Lehrern hin in verschiedenen Schulen und habe versucht, den unterschiedlichsten Schülern nahezubringen, was einen Journalisten ausmacht und wie er arbeitet. Natürlich immer mit einer gehörigen Portion Kritik an den Berufsgenossen, die uns allen mit ihrer schludrigen Arbeit einen schlechten Ruf geben.

Bisher habe ich bei meinen ehrenamtlichen Einsätzen für das JmS-Projekt immer gute Erfahrungen gemacht. Das hat sich allerdings leider in der vergangenen Woche geändert. Ein Lehrer einer Realschule hier in Düsseldorf, der mich vor einigen Wochen für einen dreistündigen Besuch im Rahmen einer Projektwoche in seiner Schule angefragt hatten, sagte diesen Besuch nämlich am Morgen des Termins ab. Wir hatten knapp zwei Wochen zuvor telefoniert und meinen Einsatz im Rahmen dieses Telefonats und mehrerer E-Mails durchgesprochen. Der Lehrer hatte sich diesen Plan dann über Nacht spontan anders überlegt und wollte den Termin daraufhin am Morgen des Besuchs verschieben.

Ich teilte ihm daraufhin mit, dass ich mit der Planung und Vorbereitung des Schulbesuchs bereits genug Zeit verschwendet hatte. Ich werde ihm deshalb jetzt nicht noch einmal drei Stunden in meinem Terminkalender blocken, auf die Gefahr hin, dass der Termin dann wieder nicht stattfindet. Ich investiere hier schließlich unentgeltlich meine Arbeitszeit und das Mindeste, was ich als Gegenleistung erwarte, ist etwas Respekt vor meiner Zeit. Dass Termine aus triftigen Gründen kurzfristig abgesagt werden, kann immer mal passieren. Aber wenn man extra früh aufsteht und dann beim aus dem Haus gehen eine E-Mail sieht, in der “ich habe es mir über Nacht anders überlegt” steht, ist das unakzeptabel.

Es geht hier allerdings nicht darum, wie sehr ich mich über diesen Lehrer geärgert habe. Viel interessanter ist die Erkenntnis, die ich als Konsequenz dieses Ärgernisses erlangt habe; nämlich als ich drüber nachdachte, warum der Lehrer den Termin wohl abgesagt hatte. Er schien mir durch die Blume zu verstehen gegeben zu haben, dass es ihm nicht gefiel, dass sich meine Vorbereitung allein auf Papiernotizen beschränkte. Er hätte sich, so denke ich, eine Multimedia-Präsentation für seine Schüler gewünscht. Dass ich bei meinen JmS-Besuchen auf Papiernotizen zurückgreife hat drei Gründe:

  1. Ich persönlich bevorzuge Papiernotizen. Ich mag es, Vorträge ganz ohne visuelle Hilfen zu halten und das erleichtert es mir auch, während des Vortrags mit meinem Publikum ins Gespräch zu kommen.
  2. Die IT in deutschen Schulen ist sehr heterogen und man weiß nie, was einen erwartet. Davon auszugehen, dass die IT-Ausstattung in einer beliebigen Schule mit meinem Linux-Laptop klar kommt, ist, meiner Ansicht nach, ziemlich unrealistisch.
  3. Diese Art der Notizen bilden nun mal realistisch ab, wie ich arbeite. In den letzten Jahren habe ich, besonders bei heiklen Recherchen, immer mehr meiner Arbeit auf Papier ausgelagert. Das hat definitiv Nachteile beim alltäglichen Komfort, ich fühle mich aber einfach nicht mehr wohl damit, brisante, unveröffentlichten Informationen einem digitalen System anzuvertrauen.

Je mehr ich darüber nachgedacht habe, dass diese Art der Vorgehensweise wahrscheinlich ziemlich davon abweicht, was heutzutage in modernen Klassenzimmern passiert, desto mehr denke ich, dass ich eine falsche Entscheidung getroffen habe. Ich hätte darauf bestehen sollen, in diese Schule zu fahren. Nicht nur, um den Schülern etwas über Journalismus beizubringen, sondern auch, um Sie mal aus ihrer digitalen Welt zu holen. Ich glaube mittlerweile, dass eine multimediale Reizüberflutung Schüler und Studenten gar nicht gut tut.

Ich habe vor ein paar Tagen den Bericht eines Universitätsprofessors aus den USA gesehen, in dem dieser beschreibt, dass seine Studenten ihm immer öfter sagen, dass sein Lehrmaterial — etwa Shakespeares Hamlet — zu lang sei, um es zu lesen. Wir reden hier von Studenten, die Anglistik studieren und denen ein Shakespeare-Stück zu mühsam zu lesen ist! Und die Universitäten in den USA gehen daraufhin dazu über, jetzt mehr mit Videos zu unterrichten! Ein Trend, der anscheinend auch auf deutsche Unis zukommt.

Wenn Studenten keine Geduld haben, zu lesen, wird es, glaube ich, höchste Zeit, dass wir schon in den Schulen dagegen steuern. Viele Schüler haben eindeutig Aufmerksamkeitsdefizite. Die Lösung kann doch nicht sein, auf diese Schüler zu zugehen und mehr digital zu unterrichten. Wir müssen das Gegenteil tun und diese Kinder dazu erziehen, mehr lange Texte zu lesen, auch mal längere Zeit zuzuhören und mit Stift und Papier zu schreiben. Ganz nebenbei würde Letzteres übrigens das Problem lösen, dass Schüler ihre Hausaufgaben mit ChatGPT machen. Wer handschriftliche Texte einreichen muss, kann auch gleich selbst denken. Die Schüler würden früher oder später merken, dass selber denken auch nicht viel mühseliger ist, als lange KI-Texte per Hand abzuschreiben. Und das wäre, glaube ich, für unser aller Zukunft sehr wichtig.