Von der Marotte, unbedingt mit Technik die Welt retten zu wollen

Silicon Valley kämpft vor allem für den eigenen Profit. Fortschritt nicht zur Verbesserung der Menschheit steht hier im Mittelpunkt, sondern Fortschritt um des Fortschritts Willens.

Die Erde, aufgenommen aus knapp eineinhalb Million Kilometer Entfernung (Foto: EPIC-Kamera an Bord der NASA-Sonde DSCOVR)

Digital Total
Dies ist die 244. Ausgabe meiner Dienstags-Kolumne Digital Total, die früher in der Ostfriesen-Zeitung veröffentlicht wurde. Seit dem 1. Juli 2025 führe ich diese Kolumne hier in meinem Blog weiter.

Ein signifikanter Teil meines Jobs ist es, das zu lesen, was andere Tech-Journalisten so schreiben. Einer der Trends, der mir dabei seit Jahren auffällt, ist die Tatsache, dass viele meiner Kollegen auffallend oft über Technologie schreiben, die nicht primär wegen neuer technischer Errungenschaften im Vordergrund steht, sondern deshalb, weil sie als klimafreundlich gilt. Mir fällt das meist schon deswegen auf, weil ich diese Themen immer totlangweilig finde. Aus technischer Sicht geben sie meist nicht viel her: Elektroautos, Balkonkraftwerke, KI-Apps im öffentlichen Nahverkehr … technisch gesehen passiert da kaum was Neues. Denn schon die deutschen U-Boote im Zweiten Weltkrieg hatten einen Elektroantrieb, Solarzellen waren für mich zuletzt in den ‘90ern interessant und Apps und KI nannten wir früher einfach Programme und Datenbanken und auch da hat sich, wenn man genau hinschaut, nicht viel Neues getan seit Steve Jobs im Jahr 2008 auf einmal die Apps als Heilsbringer entdeckte1.

Liegt das daran, dass sich so viele Leser für diese Themen interessieren? Ich bezweifele das. Ich glaube, die Journalisten selbst wollen über diese Themen schreiben, weil sie diese, wenn schon nicht als besonders interessant, dann als besonders wichtig erachten. Ich denke diese Weltverbesserungsmentalität stammt aus einem unterschwelligen, vielleicht auch verdrängtem, schlechten Gewissen. Denn Tech-Journalisten — nicht alle, aber viele — plappern seit Jahrzehnten den Hype von Silicon Valley nach. “Das iPhone wird unser Leben revolutionieren!” “Selbstfahrende Autos sind die Zukunft!” “Blockchain!” “Ki!” … und so weiter und so weiter. Und wozu führt das? Mehr Stromverbrauch, mehr Wegwerf-Konsum, mehr Ungleichheit in der Gesellschaft. Silicon Valley ist nun mal keine Kraft, die für das Gute auf dieser Welt kämpft. Silicon Valley kämpft vor allem für den eigenen Profit. Fortschritt nicht zur Verbesserung der Menschheit steht hier im Mittelpunkt, sondern Fortschritt um des Fortschritts Willens.

Und dann kommen auf einmal die Klimaforscher und sagen uns, dass es mit der Welt zu Ende geht. Was macht der Tech-Jünger dann, dessen ganzes Weltbild darauf aufbaut, dass Technik unser Heiland ist? Umdenken? Darüber schreiben, dass weniger Technik vielleicht besser ist? Dass Digitalisierung um jeden Preis vielleicht nicht das beste fürs Klima ist? Nein, natürlich nicht. Wer Technik als unausweichliches Werkzeug zur Verbesserung des Menschen und seiner Umwelt sieht, wird in der Technik auch die Lösung für diese Probleme sehen. Zumal da auch eine Sunk Cost Fallacy2 mit reinspielt: Wer seine ganze Karriere auf Technik-Konsum aufgebaut hat, kann jetzt schlecht zugeben, dass das vielleicht genau die schlechteste Richtung war, die man hätte einschlagen können.

Jemand wie ich, der schon immer allem und jedem grundlegend kritisch gegenüberstand, hat natürlich solche Probleme nicht und schreibt nur dann über Dinge wenn er, oder seine Leser, sie wirklich interessant finden. Vielleicht der bessere Ansatz für einen Journalisten?


  1. Der eine oder andere wird sich vielleicht noch daran erinnern, dass bei Erscheinen des ersten iPhones im Sommer 2007 noch keine Rede von richtigen Apps war. Anfänglich schwor Jobs noch auf mobile Web-Seiten als die Zukunft des mobilen Computings. ↩︎

  2. Die Webseite Biases.de beschreibt dieses Phänomen wie folgt: “Die Sunk Cost Fallacy, auch bekannt als versunkene Kosten, beschreibt die Tendenz, an einer Entscheidung festzuhalten, obwohl sie sich als nachteilig herausstellt, nur weil bereits erhebliche irreparable Investitionen wie Zeit, Geld oder Mühe getätigt wurden. Diese kognitive Verzerrung beeinflusst stark das Wirtschaftsverhalten und führt oft zu irrationalem Handeln.” ↩︎

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