Abschied von Heise
Nach fast sieben Jahren im Unternehmen verabschiede ich mich heute vom Heise-Verlag.
Heute ist mein letzter Tag bei Heise. Insgesamt habe ich für fast sieben Jahren bei dieser Firma gearbeitet, mehr als fünf davon am Stammsitz in Hannover. Begonnen hat alles Anfang 2012. Damals studierte ich in Bonn und reparierte nebenbei bei NetCologne in Schulen Hard- und Software, als ich eine Anzeige für einen Redakteursjob in London auf Twitter sah. Der englischsprachige Heise-Ableger The H suchte damals jemanden, der sich mit aktuellen Entwicklungen im Linux- und Open-Source-Bereich auskannte. Dank Linux Outlaws konnte ich genau damit dienen und wagte den Sprung ins kalte Wasser. Ich arbeitete drei Monate zur Probe aus Bonn – über Skype ständig mit der Redaktion gekoppelt – und zog im Sommer schließlich nach Wimbledon. Das große Abenteuer hatte begonnen.
Londoner Abenteuer
Meine Frau, damals noch Freundin, blieb in Bonn, um ihre Doktorarbeit abzuschließen. Wir führten ein Jahr lang eine Fernbeziehung. Mein Leben damals war hauptsächlich von Arbeit bestimmt. Ich arbeitete lange und viel und in meiner Freizeit produzierte ich Podcasts – je beschäftigter ich war, desto besser. Ich habe mich damals wahrscheinlich derart in die Arbeit gestürzt, um Katy nicht zu sehr zu vermissen. Den Rest der Zeit verbrachte ich in Pubs oder in Streifzügen durch London, dieser wunderbaren Metropole mit all ihren Eigenheiten und kleinen Geheimnissen. Alle zwei oder drei Wochen flog ich über’s Wochenende nach Hause: Freitags morgens mit dem gepackten Koffer ins Büro, danach mit der Tube nach Heathrow. Ich kann mich heute noch dran erinnern, wie gut es sich jedesmal anfühlte, Katy am Ausgang des Sicherheitsbereiches in Köln-Bonn stehen zu sehen.
Nach Katys erfolgreicher Promotion kam sie nach London und blieb für ein paar Monate in meiner kleinen Wohnung in Wimbledon. Wir bereiteten uns darauf vor, eine größere Wohnung zu suchen. Katy führte Gespräche, hatte eine Postdoc-Stelle in Cambridge in Aussicht. Aus heiterem Himmel dann die Katastrophe. Im Büro Besuch aus Hannover: Man eröffnete uns, dass The H eingestellt werde. Heise wollte sein Experiment mit dem englischsprachigen Engagement beenden. In zwei Wochen, zum Ende des Monats, sei Schluss. Ich ging nach Hause, eröffnete Katy, was man uns gesagt hatte. Ich weinte bitterlich – das war damals wohl einer der schlimmsten Tage meines Lebens.
Neustart in Hannover
Mein Traum vom Leben in London, vielleicht später die Staatsbürgerschaft anzunehmen, war geplatzt. Immerhin zeigte Heise sich verständnisvoll. Man bot mir an, mich nach Hannover zu fliegen, bei der c’t seien Stellen offen. Heise hätte das nicht tun müssen und ich rechne es ihnen bis heute hoch an, wie menschlich man hier gehandelt hat. Katy und ich wollten nicht nach Hannover ziehen – aus London ein ziemlicher Abstieg. Aber es war die vernünftigste Entscheidung an diesem Punkt. Bei der c’t bot man mir nach Gesprächen vor Ort einen unbefristeten Redakteursvertrag an, Katys Stelle in Cambridge wäre natürlich zeitlich begrenzt gewesen. Also zogen wir zurück nach Deutschland. Eine Wohnung zu finden, war ein ziemliche Aktion. Wir buchten alle Besichtigungstermine aus der Ferne im Voraus – insgesamt hatten wir ein-einhalb Tage Zeit, ein neues Heim zu finden. Glücklicherweise sind Katy und ich im Wohnungen finden ein unschlagbares Team und schafften es, trotz aller Widrigkeiten in der kurzen Zeit eine super schönes Zuhause in Isernhagen zu finden.
Ich fand im c’t-Stammhaus schnell meine Nische und fing an, einen beträchtlichen Teil der Nachrichten für den Online-Channel heise Security zu schreiben. Nebenbei lernte ich, Magazin-Artikel zu verfassen. Mein erster großer Beitrag war gleich ein Titel-Thema: Ein Kollege und ich erklärten Bitcoin. Ich dachte damals, das Ganze wäre viel zu spät. Rückblickend war ein solcher Artikel im Jahr 2013 für deutsche Verhältnisse allerdings gradezu bahnbrechend. Irgendwann nachdem ich meinen neuen Job in Hannover angetreten hatte, fragte mich ein Kollege: “Sag mal, du machst doch Podcasts?” Er war selber Podcast-Fan und hatte seit Jahren versucht, bei Heise so etwas zu etablieren. Zusammen mit drei weiteren Kollegen stellten wir innerhalb weniger Wochen c’t uplink auf die Beine. Den Namen habe übrigens ich mir ausgedacht. Erst fanden ihn alle blöd, aber weil niemandem was Besseres einfiel, blieb es dabei. Seitdem haben wir es mit diesem kleinen Team und einem sehr hart arbeitenden Video-Producer geschafft, jede Woche eine Folge dieser Show zu produzieren. Mittlerweile gibt es über 250 uplink-Ausgaben. Dieser Podcast ist eines der Dinge, auf die ich aus meiner Zeit bei Heise am stolzesten bin.
Es sollte nicht mein letzter Meilenstein bleiben. Ich hab zwar nicht den heise-online-Kommentar mit der größten Forendiskussion geschrieben, alle meine Kommentare zusammen haben aber höchstwahrscheinlich die meisten Forenreaktionen insgesamt eingefahren. Zeitweise ging die meistgelesene Geschichte auf heise online überhaupt auf mein Konto. Ich bin immer wieder eingesprungen, wenn kritische Sicherheitslücken erklärt werden mussten, die aus dem Nichts auftauchten – damit habe ich den einen oder anderen sehr späten Abend in der Redaktion verbracht. Ich habe unzählige Nachrichten-Meldungen für heise online verfasst und den News-Workflow im Security-Ressort eigenhändig komplett umorganisiert. Ich habe dafür gesorgt, dass heise online nach über zwanzig Jahren seit Ende 2017 endlich professionelle Stock-Fotos einsetzt. Ich war als Interview-Partner in allen bundesweiten Fernsehsendern (unter anderem live in der 20-Uhr-Tagesschau und den heute-Nachrichten) und live im Studio in mehreren Lokalsendern. Ich habe Radio-Interviews zu fast jeder Tages- und Nachtzeit und für alle erdenklichen Sender gegeben. Ich war als Redner bei der Stadt Hannover, bei der Kripo, vor Journalistenkollegen und vor Aufsichtsratsvorsitzenden… Und nebenbei habe ich jahrelang regelmäßig auch noch c’t-Artikel produziert. Mit anderen Worten: Ich hab so ziemlich alles erlebt, was man bei der c’t und heise online erleben kann. Eine meiner News-Meldungen hat es sogar in die Titanic geschafft.
In der Zwischenzeit war meine Frau – wir haben 2014 in Isernhagen geheiratet – in Hannover ziemlich unglücklich. Sie fand dort als ziemlich spezialisierte Naturwissenschaftlerin einfach keinen Job. Als sie schließlich eine Stelle am UKE in Hamburg in Aussicht hatte, wusste ich, dass sie die einfach annehmen musste. Alles andere würden wir schon regeln. Sie zog schließlich im Sommer 2014 nach Hamburg in eine kleine Wohnung und die Zeit der Fernbeziehung begann erneut. Am Anfang war das alles ertragbar – ich fuhr oft mit meinem Motorrad nach der Arbeit aus Hannover durch die Lüneburger Heide nach Hamburg und wir verbrachten viele erlebnisreiche Wochenenden zusammen in der wunderschönen Stadt an Elbe und Alster. Als das Ganze aber uns dritte Jahr ging, wussten wir beide, dass sich die Dinge langsam ändern mussten. Das konnte nicht ewig so weiter gehen. Anfang 2017 ergab sich für mich die Möglichkeit auch nominell in die heise-online-Redaktion zu wechseln. Zur Mitte des Jahres hin wurde dies konkret und ich stürzte mich voller Elan in eine neue Aufgabe bei Heise: Organisation der Nachrichten-Berichterstattung in den Themenbereichen Linux, Windows und IT-Security für heise online. Mehr Flexibilität beim Arbeiten für die Online-Leserschaft erlaubte es mir außerdem, endlich auch nach Hamburg zu meiner Frau zu ziehen.
Umzug nach Hamburg
Im Sommer bezogen wir eine gemeinsame Wohnung in Alsterdorf. Seit August 2017 pendele ich also regelmäßig aus Hamburg zum Heise-Hauptquartier in Hannover. Im Sommer öfters auf dem Motorrad, aber bei unter zehn Grad und auch bei hohem Stress per ICE – man will sich ja nicht auf der A7 tot frieren (oder vor Erschöpfung tot fahren). Im Zug bedeutete das vier bis fünf Stunden Pendeln am Tag. Bis heute bin ich mit dem Pendeln selbst ziemlich gut klargekommen. Es stellt sich eine gewisse Routine ein. Vielen meiner Kollegen ging es allerdings anders. Ob wohl diese Leute so gut wie nie mit mir persönlich geredet haben, wenn ich in meinem Büro saß, stieß es Leuten auf einmal sauer auf, wenn ich nicht im Haus war. Dass ich beim Schreiben zu Hause immer deutlich produktiver war als im Büro in Hannover, schien nie jemand zu bemerken. Irgendwie kristallisierte sich zur gleichen Zeit ein Gedanke, den ich schon in den Jahren davor immer mit mir rumgetragen hatte: Du brauchst was Neues. Du kannst nicht ewig bei Heise bleiben. Es ändert sich nicht genug, du rostest fest. Seit ich nach Hannover gezogen bin und Kollegen kennenlernte, die seit dreißig Jahren bei der c’t arbeiten, war mir klar, dass das einfach nichts für mich ist. Wie sagte mir der Ex-Heisianer und geschätzte Kollege Clemens Gleich einmal am Telefon: “Wenn du gehen musst, dann musst du gehen. Das ist alles auch nicht so schlimm hier draußen, wie alle immer sagen.”
Ich hab es meiner Frau zu verdanken, mich daran zu erinnern, dass ich Eier habe und dass man manchmal Risiken eingehen muss, um glücklicher zu werden. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und wir entwickeln uns als Individuum nur weiter, wenn wir uns dazu zwingen, uns an veränderte Umstände anzupassen – auch, oder vor allem, weil das manchmal beängstigend ist. Das Beste in meinem Leben habe ich erreicht, weil ich mich getraut habe, ins kalte Wasser zu springen. Meine Erfahrungen als Austauschschüler in Australien, die 16 Jahre zusammen mit meiner Frau und der Job bei The H und später bei c’t und heise online sind dafür nur einige Beispiele aus meiner bisherigen Biografie. In diesem Sinne habe ich Angst vor, und freue mich auf, neue Abenteuer als freier Journalist.
Heute verabschiede ich mich aus meinem Büro bei Heise, aber ich sage den Kollegen nicht für immer tschüss. Ich freue mich weiterhin, für den Heise-Verlag zu schreiben. Ich habe in diesem Haus sehr viel gelernt und dafür bin ich sehr dankbar. Aber ich freue mich auch darauf, für andere Publikationen tätig zu werden und viele neue Dinge auszuprobieren. Ich bin gerade an einem Punkt in meinem Leben, an dem ich geneigt bin, einem Dichter aus meiner Heimat – dem Ruhrgebiet – zuzustimmen: “Freiheit. Freiheit ist das einzige, was zählt.”