Mein Medienkonsum ist nicht normal. Ich schaue einfach zu oft hinter den Vorhang der Medienwelt. Und deswegen komme ich mir langsam vor, wie ein Alien.

Ich gucke seit mehr als 15 Jahren kein Fernsehen mehr. Serien und Filme schaue ich nur als Video on Demand (als DVD, Blu-ray oder im Stream). Wenn ich das Fernsehen anmache, muss schon Fussball-WM sein. Alles andere suche ich mir nachher als Aufzeichnung im Internet – meist als Recherche im Job.

Fast genauso lange habe ich schon kein Zeitungs- oder Zeitschriften-Abo mehr. So ziemlich seit ich damals bei meinen Eltern ausgezogen bin, hole ich mir meine Nachrichten direkt aus dem Internet. Meist versuche ich, mich so schnell wie möglich zur Primärquelle vor zu hangeln. Ich weiß, wo ich erfahre, was gerade auf der Welt passiert. Und ich weiß, wo ich Details dazu her bekomme.

Dass ich das so lebe, hat mir enorm dabei geholfen, Journalist zu werden. Wer eh Primärquellen liest, hat meist die halbe Arbeit zum Artikel schon gemacht. Aber es sorgt auch dafür, dass ich mich dieser Tage sehr von den meisten meiner Mitmenschen isoliert fühle. Denn ich habe einfach nicht die selbe Informationsgrundlage, wie viele Leute, mit denen ich mich im Alltag unterhalte.

Nehmen wir mal den ausscheidenden US-Präsidenten Donald Trump. Wenn ich mich mit jemandem unterhalte und der mir dann sagt “ist es nicht ein Unding, was der Trump da gesagt hat”, dann hat mein Gesprächspartner seine Informationen meist aus dem Spiegel, der Zeit, der FAZ oder der Süddeutschen. Und die haben ihre Meinung von dem, was Trump da angeblich gesagt hat, in den meisten Fällen aus der New York Times oder der Washington Post. Ich hingegen habe meine Informationen über das, was Trump gesagt hat, oft aus einem Podcast, der den entsprechenden Teil der Rede von Trump im Original eingespielt hat. Oder ich habe drüber gelesen, was Trump gesagt haben soll und habe mir die Rede dann in Gänze bei C-SPAN angeschaut.

Und genau deswegen habe ich oft eine andere Meinung als andere Menschen. Weil meine Meinung meist nicht aus den Texten anderer Journalisten kommt, sondern selbst erarbeitet ist. Ich bevorzuge Primärquellen oder Medien, die ihre Leser und Hörer mit solchen versorgen und es ihnen überlassen, sich selbst eine Meinung zu bilden.

Mir ist klar, dass das für viele Leute – schon aus Zeitmangel – keine Option ist. Und viele Menschen hierzulande sind der englischen Sprache nicht mächtig genug, um sich die Reden von US-Politikern im Original anzuhören. Das ist schon deswegen ziemlich offensichtlich, weil mir sonst nicht so viele Leute begegnen würden, die eine so hohe Meinung von Joe Biden hätten. Niemand, der sich in den letzten 12 Monaten Reden dieses Mannes in Gänze angeschaut hat, kann der Meinung sein, dass der Mann Präsidenten-Material ist. Jedenfalls nicht, wenn man Deutscher ist und einem die Zwanghaftigkeit eines lebenslangen Demokraten-Wählers in den Staaten restlos fremd sein sollte. Aber natürlich weiß man nicht, dass der Mann keine zwei Sätze gerade vom Prompter vorlesen kann ohne betrunken, kurz vor dem Einschlafen oder altersverwirrt zu wirken, wenn man nur den Spiegel liest. Denn die schreiben nicht drüber, wie senil Biden bei seinen Wahlkampfreden gewirkt hat. Bei den Kollegen liest man dagegen immer noch, dass Trump angeblich Nazis als “very fine people” bezeichnet hat. Dabei gibt es mittlerweile ganze Webseiten die eindeutig das Gegenteil beweisen.

Und so fühle ich mich dann in Gesprächen mit anderen Menschen dieser Tage oft so, als sei mein Gegenüber aus einem Paralleluniversum. Dem Paralleluniversum der von den Leitmedien kolportierten, sogenannten Fakten, eben.

Einer der Podcasts, die ich regelmäßig höre, nennt dieses Phänomen ironisch “Dimension B”. Dieser Theorie nach gibt es eine Dimension A (oder auch die wirkliche Welt) in der die Menschen leben, die Fakten aus eigenen Recherchen ziehen. Und dann gibt es eben eine Dimension B, in der all die leben, die ihre Fakten und Meinungen aus den Leitmedien beziehen. Je mehr Monate sich in diesem Schicksalsjahr 2020 anhäufen, desto zutreffender erscheint mir diese Theorie. Und umso anstrengender wird es, sich mit Besuchern aus dem Paralleluniversum zu unterhalten.