Die Leserkommentare zu meiner Rezension von Amazons Tolkien-Serie sind zum Teil wirklich arg merkwürdig.

Über das Wochenende hat heise online meine Rezension zur ersten Staffel von Amazons Herr-der-Ringe-Prequel Die Ringe der Macht veröffentlicht. Ich vertrete in dieser Rezension eine kontroverse Meinung. Nämlich, dass diese Serie nicht komplett Scheiße ist. Lustigerweise werde ich sonst immer von den Heise-Lesern angefeindet, weil ich Serien komplett zerreiße. Diesmal ist es genau andersrum. Hier ein mehr oder weniges repräsentatives Beispiel eines Leserkommentars1:

Guten Tag geehrte heise Redaktion,

In eurem Bericht über die Amazon Serie “die Ringe der Macht” musste ich feststellen das eure Kritik leider nicht den Tatsachen entspricht und somit potentiellen Lesern falsche Hoffnungen machen könnte. Kurz weg, die Serie hätte das größte Fantasie Epos überhaupt werden können, doch endete schlicht weg als enttäuschender Flop. Storymaking, Schauspielerwahl, Schauspielerische Fähigkeiten, Kostüme, es ist leider mehr enttäuschend als mitfiebernd. Ich als Tolkien Fan bin doppelt traurig, hatte mich Jahre lang auf diese Serie gefreut, potential hat es mehr als genug gegeben, wurde aber nicht genutzt.

Im Vergleich zu House of the Dragon von HBO ist die Ringe der Macht nahezu lächerlich. Kein einiger Charakter ist mir ans Herz gewachsen, keine einzige Szene hat Spannung oder den Wunsch nach mehr erzeugt. Die 2te Staffel werde ich nicht mehr schauen, reine Zeitverschwendung. UND um meine Meinung hier nicht als allein stehend abstempeln zu können, bitte recherchieren Sie doch vernünftig, dann schreiben Sie Ihre Kritik. Nahezu die ganze Fantasie fan Welt hat auf diese serie gewartet und nahezu die ganze Fantasie welt empfand sie als FLOP. Aus diesem Grund meine email & aus diesem Grund befürchte ich ihr Artikel könnte falsche Hoffnung erwecken. Ich empfehle jedem, House of the Dragon zu schauen.

Daraufhin habe ich dem Leser folgendes geantwortet:

Moin, Herr ████████████!

Ihre Meinung in allen Ehren, aber meine eigene Meinung (übrigens auch als Tolkien-Fan, seit mehr als 30 Jahren) weicht halt davon ab.

Ich finde (vor allem im Direktvergleich) House of the Dragon stümperhaft. Die Dialoge dort wirken wie von Teenagern geschrieben, die Spezialeffekte sind lachhaft und außer Matt Smith ist mir bisher kaum ein fähiger Schauspieler untergekommen. Mal abgesehn davon, dass die Geschichte elendig langweilig ist.

Ich finde es auch etwas lustig, dass Sie gerade bei Rings of Power die Gefahr falscher Hoffnungen sehen, weil ja viel mehr Leute diese Serie dank eines eh schon bestehenden Prime-Abos kostenlose sehen können. Ich finde es viel unschöner, wenn Leser extra WOW abonnieren, um dann von einer Game-of-Thrones-Prequel-Serie enttäuscht zu werden, die lieblos dahingeklatscht wurde, nur um dank des GoT-Brandings abzusahnen.

Den Aufruf zur Recherche bei einer Rezension finde ich dann allerdings nicht mehr lustig. Sie scheinen nicht verstanden zu haben, was eine Rezension ist. Das ist ein Meinungsartikel. Da geht es um meine Meinung, nicht darum was “die ganze Fantasy-Fanwelt” sagt. Das ist mir, herzlich gesagt, völlig egal. Wie sollen wir denn auch vernünftigen Meinungspluralismus im Journalismus hinbekommen, wenn wir alle einfach abschreiben, was die anderen schreiben, ohne uns selbst Gedanken zu machen. Eine solche “Recherche” wäre nicht nur handwerklich schlecht (weil ich dann nicht verstanden hätte, wie man eine Rezension schreibt) sondern auch faul. Die Alternative dazu, dass ich meine journalistischen Prinzipien derart verrate, ist halt, dass Sie einfach mal akzeptieren, dass andere Menschen eine Meinung haben, die von Ihrer abweicht. Das dürfte ja auch nicht allzu schwer sein. Lesen Sie einfach ein paar andere Rezensionen der übrigen Fantasy-Welt.

Für fachliche Kritik bin ich immer offen und wenn ich sachliche Fehler begehe, auch in einer Rezension, können wir gerne darüber sprechen. Aber sich darüber zu beschweren, dass ein Meinungsartikel eine andere Meinung widerspiegelt, als die des Lesers, verschwendet Ihre und meine Zeit.

Viele Grüße

–––
Fabian A. Scherschel
Freelance Journalist, Writer & Podcaster
fab.industries

Ich dachte ja eigentlich, der lässt es dabei bewenden. Aber nein, es folgte prompt eine Antwort:

Vielen Dank Ihre schnelle Rückmeldung,

Leider muss ich feststellen das Sie anstatt auf einer Sachlichen Objektiven Ebene meine Kritik auf emotionale und persönliche Art und Weise wahrgenommen haben. Ihr Antwortschreiben deutbar als ein Anzeichen von emotionaler labilität.

Alles gute in Zukunft und viel Erfolg(ernst gemeint!!) bei Ihren weiteren Rezensionen.

Mit freundlichen Grüßen ███████ ████████████

Ich muss gestehen, dass ich mir dann den Spaß gemacht habe, auch noch mal zu antworten2:

Ich habe Ihre Kritik sehr objektiv beantwortet. Wohingegen die Kritik an sich einfach gar nicht objektiv und auch nicht sehr hilfreich war. “Ich hab eine andere Meinung und Ihre Meinung ist gefährlich für den Leser” ist halt sehr abgedroschen und auch nicht besonders intelligent.

Sie wollen wahrscheinlich einfach nur nicht wahrhaben, dass jemand, der diesen Job seit mehr als zehn Jahren macht, besser als Sie weiß, wie man einen Meinungsartikel schreibt.

Kommentare zu meinem emotionalen Zustand sind mir ein bisschen zu Kindergarten, ehrlich gesagt. Und auch komplett irrelevant, außer Sie legen eine Kopie Ihres Diploms und ggf. die Urkunde über Ihre Promotion in einem entsprechenden Fachbereich bei. Aber wenn Sie Ahnung von Psychologie hätten, würden Sie mich wahrscheinlich auch nicht auf Basis einer E-Mail analysieren wollen.

Alles gute in Zukunft und viel Erfolg(ernst gemeint!!) bei Ihren weiteren Rezensionen.

Jemandem erst die Kompetenz und dann die emotionale Stabilität absprechen und dann viel Erfolg wünschen. Das ist schon recht kreativ, was passiv-aggressive Verabschiedungen angeht. :D

Machen Sie sich mal keine Sorgen, ich komm schon klar.

Er konnte es nicht lassen und hat mir tatsächlich noch mal geschrieben. In Ermangelung eines Belegs für ein abgeschlossenes Studium der Psychologie war diese Mail aber, wie gesagt, überflüssig. Solche Menschen müssen halt immer das letzte Wort haben, auch wenn daraus nur geistiger Dünnpfiff resultiert.

Direkt nach der Veröffentlichung des Artikels habe ich übrigens auch noch eine sehr lustige Mail bekommen, zu der ich ein (englisches) TikTok-Video gmacht habe:

@fab.industries
SPOILER ALERT!
♬ original sound - Fabian A. Scherschel

Kurze Zusammenfassung: Jemand hat sich beschwert, dass ich am Anfang der Rezension verraten habe, dass Sauron die Ringe der Macht mit geschmiedet hat. Was halt in Der Herr der Ringe drin stand, also seit 1954 bekannt ist. Und das weiß auch jeder, weil sich die Geschichte ja komplett darum dreht, dass Frodo den Einen Ring zerstören muss, weil Sauron ihn wiederhaben will.

Aber, ja. Das ist ein Spoiler. Ein Spoiler, der 68 Jahre alt ist. Sich über sowas zu beschweren… Menschen gibt es…

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Aufmacherbild: Durin IV. beäugt seinen Freund Elrond skeptisch (Foto: Amazon Prime Video)


  1. Ich habe ausnahmsweise die orthographischen Fehler in den zitierten Texten belassen, um die generelle Stimmung der Zuschriften nicht zu verfälschen. ↩︎

  2. Die Mail beginnt mit einem Zitat aus der vorangegangenen E-Mail des Lesers. Das habe ich der Einfachheit halber mal weggelassen. ↩︎