Je digitaler die Dinge werden, desto komplizierter werden sie auch. Live Fußball gucken ist auch nicht mehr so einfach, wie es mal war.


Diese Text wurde ursprünglich am 29. Juni 2021 im Rahmen meiner Kolumne Digital Total veröffentlicht, die jeden Dienstag in der Ostfriesen-Zeitung erscheint.

Aufmacherbild: Connor Coyne


Bekanntlich hält gerade mal wieder ein Fußball-Großereignis Europa in Atem. Haben Sie sich bei dieser Gelegenheit auch schon des Öfteren gefragt, warum Ihr Nachbar immer eher jubelt – oder, angesichts der Leistung der deutschen Mannschaft dieses Jahr, vor Frust aufschreit – wenn ein Tor fällt? Das liegt wahrscheinlich daran, dass Sie moderner Fernsehen, als ihr Nachbar. Denn bei Live-Übertragungen gilt die Faustregel: Je smarter das Gerät, desto weniger “live” ist das, was ich gezeigt bekomme. Streaming-Dienste sind da zum Teil fast eine halbe Minute, manchmal sogar noch mehr, hinter dem eigentlichen Geschehen hinterher.

Früher, beim analogen Empfang über die Dachantenne, war das Fernsehsignal fast ohne Verzögerung, aber eigentlich war das sowieso egal, weil schließlich jeder sein Fernsehen auf die selbe Weise empfing. Heute ist der Gold-Standard beim Live-Fernsehen das digitale Satelliten-Signal, welches mit der geringsten Verzögerung beim Zuschauer ankommt. Digital über Antenne jubeln Sie allerdings auch nur eine oder zwei Sekunden später als per Satellit. Wenn Ihr Nachbar über Satellit schaut und sie über Kabel, dann jubelt er allerdings schon gute fünf Sekunden, bevor Sie das Tor zu sehen kriegen. Smart-TVs und Streaming-Boxen wie die der Telekom, Amazon oder von Apple haben je nach Gerät und Sender zwischen zehn und fünfzig Sekunden Verzögerung. Fünfzig Sekunden können in einem Länderspiel eine Ewigkeit sein. Man erinnere sich nur an Brasilien gegen Deutschland bei der EM 2014, als Toni Kroos zwei Tore in knapp drei Minuten schoss.

Wer keine Möglichkeit hat, den Empfangsweg seines Fernsehers zu ändern und trotzdem möglichst als erster jubeln will, der schaut sich die Spiele am besten über die Web-Apps der öffentlich-rechtlichen Sender an. Da liegt man auch nur drei bis vier Sekunden hinter dem Satelliten-Signal und sieht das Tor mit Glück eher als die Nachbarn im Kabelfernsehen.