Die letzten Wochen waren ereignisreich. Das ist gut und schlecht zugleich. So oder so muss ich das Geschehene irgendwo abladen.

Wie ihr wahrscheinlich gemerkt habt, habe ich letzte Woche meine Kolumne ausfallen lassen. Ich fühle mich deswegen etwas schlecht. Bis auf meine ziemlich lange Urlaubspause, die Anfang September zuende ging, hab ich es bisher jeden Sonntag geschafft, etwas zu veröffentlichen.

Die letzten zwei Wochen waren allerdings alles andere als Routine. Katy und ich haben das vergangene Wochenende in Manchester auf dem zehnjährigen Jubiläum der Open-Source-Konferenz OggCamp verbracht. OggCamp war aus meinem damaligen Podcast Linux Outlaws zusammen mit dem Ubuntu UK Podcast (heißt dieser Tage einfach Ubuntu Podcast) entstanden und nach einigen Jahren Abwesenheit wollten Katy und ich mal wieder dabei sein. Ich war das ganze Wochenende ziemlich beschäftigt, denn neben einer LO-Revival-Live-Show habe ich an beiden Tagen auch noch ein kleines, freundliches Magic-Tournier organisiert. Das ist auch der Grund, warum ich keine Zeit hatte, eine Kolumne zu schreiben, geschweige denn zu veröffentlichen. Ich hatte mir eigentlich vorgenommen, am Montag, noch aus Manchester, einen Text nachzureichen, war dann aber nach dem Wochenende ziemlich gerädert und habe mir stattdessen ein bisschen die Stadt angeguckt und den Rest des Tages im Bett verbracht.

Am Dienstag ging es dann per Flieger Richtung Hamburg, allerdings habe ich nicht wirklich viel Zeit zu Hause verbracht und bin quasi direkt weiter nach Prag geflogen. Dort war ich von Avast zur Konferenz CyberSec & AI Prague eingeladen. Da ich noch nie vorher in Prag war, habe ich mir ein bisschen Zeit dafür herausgenommen, mich in der Stadt umzusehen. Ich konnte es mir bei der Gelegenheit natürlich nicht nehmen lassen, Karlův most zu überqueren und dabei Sabaton zu hören. Eine fasziniertende Stadt, in die ich unbedingt noch mal zurückkehren muss. Ein halber Tag reicht bei weitem nicht, um sich alle interessanten historischen Stätten dort anzuschauen.

Nach meinem kleinen, touristischen Ausflug habe ich mich dann durch das IoT Lab von Avast führen lassen und mich mit dem neuen CISO der Firma detailliert über den kürzlichen Hackerangriff unterhalten. Am nächsten Tag gab’s dann ein vollgepacktes Konferenzprogramm und einige sehr interessante Interviews, aus denen ich in der kommenden Woche hoffentlich ein paar Artikel destillieren kann. Alles in allem war diese Konferenz, für ein von einem Antiviren-Hersteller gesponsortes Event, sehr informativ. Der ganze Ausflug nach Prag hat sich, trotz der etwas exzessiven Hin- und Herfliegerei, durchaus gelohnt, denke ich. So viel zur Ausrede, warum ich keine Zeit hatte, meine Kolumne oder meinen Newsletter oder sonst irgendwas zu schreiben.

Auf dem Weg nach Hause musste ich morgens in Düsseldorf den Flieger wechseln und hatte beim Start einen wunderschönen Ausblick auf meine alte Heimat im Duisburger Norden. Das hat in mir irgendwie eine melancholische Sehnsucht ausgelöst, die im Nachinein betrachtet fast ein bisschen gruselig ist. Denn kaum war ich gelandet, hat mich mein Vater angerufen und sagte mir, dass mein Onkel in der voherigen Nacht verstorben ist. Wahrscheinlich stand genau in dem Moment, als ich aus dem Flieger von oben auf das Haus meiner Eltern guckte, die Kripo in deren Wohnzimmer und sprach mit meiner Mutter. Ungeklärte Todesursache, keine Mitbewohner, keine Zeugen, ein einsamer Tod mitten in der Nacht. Irgendwo da unten zwischen den Industriegebieten und Autobahnen, in einem kleinen Zimmer.

Ich habe weniger Zeit mit meinem Onkel verbracht, als bei unserer überschaubaren Familie wahrscheinlich angebracht gewesen wäre. Ich weiß, dass er ein herzensguter Mensch war. Aber er war auch eine gequälte Seele in einem noch gequälteren Körper. Ein schwieriger Mensch, der nicht einfach sein konnte, weil er ein schreckliches Leben gelebt hatte. Nach allem, was ich weiß, waren dafür vor allem seine Eltern verantwortlich. Mir gegenüber war er immer freundlich, auf eine leicht unbeholfene Art. Trotzdem habe ich nie genug Zeit mir ihm verbracht, als dass ich sagen könnte, dass er mir fehlt. Warscheinlich hatte ich von klein auf ein bisschen Angst vor ihm. Angst davor, zu tief in seine Seele zu schauen. Angst davor, dass das, was in seinem Kopf war und sein Leben ruiniert hat, irgendwie ansteckend ist.

Er mag mir nicht nah genug gewesen zu sein, um ihn zu vermissen, sein Tod macht mich aber trotzdem sehr, sehr traurig. Auf eine komische Art, die ich schlecht beschreiben kann. Vielleicht wünsche ich mir einfach, dass er noch lange gelebt und dabei etwas Glück erfahren hätte. Denn er hätte etwas Glück im Leben verdient gehabt. Es gibt auf der Welt so viele Arschlöcher, denen etwas weniger Freude ganz gut zu Gesicht stände. Diese Freude hätte mein Onkel gut vertragen können. Und vielleicht hätte ich, als erwachsener Mensch, einfach meine Angst runterschlucken und ihm etwas von meinem Glück abgeben müssen. Und dann hätten wir vielleicht genug Zeit miteinander verbracht, dass ich ihn jetzt richtig vermissen könnte. Aber ich hatte Angst und ich hab mich auf mein eigenes Leben konzentriert, wie ein Feigling. Das einzige was mir bleibt ist zu hoffen, dass er den Tod nicht kommen sah und es einfach vorbei war. Ohne Schmerzen. Denn Schmerzen hatte er verdammt noch mal genug. Ruhe in Frieden, Klaus. Es tut mir leid, dass ich dich nicht mehr in mein Leben gelassen habe.

Ja, wie gesagt, ist alles nicht ganz Routine im Moment. Ich habe einiges zu verarbeiten …Gutes und Schlechtes. Schreiben scheint mir dabei zu helfen. Ich denke also, ich werde nächstes Wochende wieder liefern. Mit etwas Glück passiert bis dahin etwas weniger in meinem Leben.


→ Theoretisch gibt es zu dieser Kolumne einen Kommentar-Thread im Fediverse. Aber vielleicht solltet ihr einfach keinen Kommentar dazu abgeben. Ich glaube, ich habe diesen Text hauptsächlich aus therapeutischen Gründen verfasst.