Der C.J.-Hopkins-Prozess
Unterwegs in Berlin, auf der Suche nach Hakenkreuzen und dem Sinn hinter Satire
Aufmacherbild: C.J. Hopkins (zweiter von links) und sein Verteidiger-Team vor dem Amtsgericht Tiergarten
In dieser Woche war ich in Berlin, um dem Prozess gegen den Dramatiker und Satiriker C.J. HopkinsEN beizuwohnen. Hopkins ist gebürtiger Amerikaner und wohnt seit ca. 20 Jahren in Berlin. Nach eigener Aussage ist er ausgewandert, um dem Absturz der USA in den Totalitarismus zu entkommen — so wertete er den Angriffskrieg des Landes gegen den Irak und den Aufbau des Polizeistaates unter Bush und Obama.
Während der SARS-CoV-2-Pandemie erkannte Hopkins auch hierzulande ein Aufkommen einer “neuen Art von Totalitarismus”, wie er es nennt, in den Notfallmaßnahmen der deutschen Regierung. Um darauf hinzuweisen, postete er im Sommer 2022 zwei Tweets, die sich kritisch mit dem Pandemie-Maßnahmen der Regierung auseinandersetzten und das Titelblatt seines Buches enthielten. Auf dem Titel seines Buches, eine Sammlung von Aufsätzen zum eben jenem Thema, ist eine medizinische Maske abgebildet, auf der ein Hakenkreuz sichtbar ist.
Daraufhin wurde Hopkins im vergangenen Jahr per Strafbefehl vom Amtsgericht Tiergarten zu € 3600 Bußgeld oder 60 Tagen Gefängnis verurteilt, weil er, so das Gericht, gegen § 86a StGB (“Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen”) verstoßen hatte.
Wie man Journalisten motiviert
Da die deutsche Presse über diesen Fall, soweit mir bekannt ist, nicht berichtet hat, hatte ich davon nur am Rand erfahren, als Matt Taibbi ein Interview mit Hopkins veröffentlichteEN. Bis dato hatte ich noch nie von C.J. Hopkins gehört.
Als ich über die Jahre mit einer Autopanne in einem schwedischen Blizzard festsaß, las ich aus Langeweile auf Substack herum und dieser Fall kam mir aus irgendeinem Grund wieder unter. Ich verfasste eine kurze NotizEN zu einem Post von Hopkins, in dem er den Taibbi-Artikel verlinkte, und schrieb meine Meinung zu der ganzen Sache: Dass ich § 86 StGB als relativ sinnloses Gesetz ansehe, dass man sich aber nicht darüber wundern dürfe, wenn man in Deutschland deswegen angeklagt werde. Vor allem nicht, wenn man Hakenkreuze auf sein Buch-Cover druckt. Daraufhin beleidigte mich Hopkins als “widerlichen Mensch” und als “Faschist”. Ich versuchte, meinen Standpunkt noch einmal zu erklären und wurde als “Parasit” beleidigt. Ich blieb höflich, allerdings war meine Neugier nun geweckt. Was war das bloß für eine Person?
Hopkins hatte mich sarkastisch in einer seiner Nachrichten an mich zu seinem Prozess in Berlin am 23. Januar eingeladen. Also akkreditierte ich mich beim Amtsgericht Tiergarten und plante meine Reise nach Berlin. Als ich Hopkins schrieb, ich würde kommen, empfand er dies als Drohung. Ich sagte ihm, dass man sich nicht davor fürchten müsse, wenn die Presse zu einem öffentlichen Gerichtstermin erscheint und versprach, trotz seiner grundlosen Beleidigungen so objektiv wie möglich zu berichten. Immerhin bin ich Schlimmeres von Lesern gewöhnt. An die Foren-Grabenkämpfe in den Frühzeiten des Internets kommt das alles sowieso nicht heran.
Harte Vorwürfe an das Gericht
Der Prozess am Amtsgericht Tiergarten lockte knapp 50 Besucher an — so viele, dass er kurzfristig in einen größeren Saal verlegt werden musste. Die Leitmedien glänzten durch Abwesenheit. Allein ein paar unabhängige Journalisten und Vertreter der deutschen Ausgabe der Epoch Times 1 waren anwesend.
Nach der Feststellung der Personalien des Angeklagten und dessen prompten Geständnisses, forderte der Staatsanwalt € 1800 Bußgeld. Er stellte sich auf den Standpunkt, man habe bei Hopkins TweetsEN nicht direkt erkennen können, dass dieser das Hakenkreuz in direkter Opposition zur Nazi-Herrschaft verwendet habe — deshalb sei der Straftatbestand der Verbreitung von Propagandamitteln nach § 86 StGB erfüllt.
Hopkins Anwalt stritt dies eindeutig ab. Es läge kein Straftatbestand vor. Es sei eindeutig, dass Hopkins die Ideologie der NSDAP (deren Symbol er wissentlich benutzt habe, um seinen Standpunkt zu verdeutlichen) und des Dritten Reiches ablehne. Das gehe schon daraus hervor, dass er das Hakenkreuz benutze, um vor einem “neuen Totalitarismus” zu warnen. Das würde nur Sinn ergeben, wenn man Totalitarismus und die Nazi-Herrschaft ablehne. Zudem sei seine Verwendung des Hakenkreuzes durch die Meinungsfreiheit und außerdem die Kunstfreiheit gedeckt.
In einem ziemlich langen und akribisch vorbereiteten Plädoyer in deutscher Sprache verteidigte sich anschließend Hopkins selbst gegen den Vorwurf, ihm sei in irgendeiner Art auch nur der Hauch einer Sympathie mit dem Nationalsozialismus vorzuwerfen. Beim Vortragen seiner Rede kamen ihm mehrmals die Tränen und seine Stimme versagte, vor allem, als er seine jüdische Frau erwähnte.
Hopkins sagte, es sei eindeutig, dass er jegliche Art des Totalitarismus, und natürlich auch die Nazi-Herrschaft, ablehne. Er warf dem Staatsanwalt vor, in diesem Verfahren nicht gegen Nazis und deren Sympathisanten vorgehen zu wollen. Es sei klar, so Hopkins, dass er nur hier vor Gericht säße, weil er die Pandemie-Maßnahmen der Regierung kritisiert und deren Lügen aufgedeckt habe. Das wolle er auch weiterhin tun. Wenn das Gericht ihn schon verurteile, so solle es doch auch “die Dinge beim Namen nennen”. Er werde hier als politischer Dissident verfolgt. Das Verfahren sei eine Farce. “Das alles wäre ein schlechter Witz, wenn es nicht so traurig wäre”, so Hopkins.
Hopkins warf dem Gericht vor, ein Gesetz, dass sinnvoll sei und dass er befürworte 2, zu missbrauchen, um ihn mundtot zu machen. “So funktionieren demokratische Staaten nicht, so funktionieren totalitäre Systeme”, warf er dem Gericht vor. Sein Plädoyer endete mit der Behauptung, die deutsche Gesellschaft stehe vor einem Scheideweg: Man könne den Weg einschreiten, den die Regierung zu Zeiten der Pandemie geebnet habe. Oder man könne sich von dieser neuen Art des Totalitarismus abwenden, dessen Symbol die Maske geworden sei und den die Deutschen, trotz ihrer Erfahrungen der Vergangenheit, so fügsam akzeptiert hätten.
Freispruch in Berlin
Trotz dieses Frontalangriffs auf den deutschen Rechtsstaat verkündete die Richterin im Anschluss an Hopkins Plädoyer einen Freispruch im Namen des Volkes. Was großen Jubel aus den Rängen nach sich zog und fast zur Folge hatte, dass die Öffentlichkeit aus dem Gerichtssaal entfernt wurde. Hopkins hatte offensichtlich Fans mitgebracht.
Da die Richterin bereits nach der Beweisaufnahme hatte durchblicken lassen, Hopkins freisprechen zu wollen 3, kam das Urteil in diesem Moment für mich nicht gerade überraschend. Nachdem was Hopkins direkt davor über die deutsche Gerichtsbarkeit gesagt hatte, weckte es in mir allerdings einen stillen Respekt für die Berliner Richterin.
In ihrer Urteilsbegründung sagte sie, es sei eindeutig, dass Hopkins mit seinen Tweets in Ablehnung des Nationalsozialismus gestanden habe, weswegen keine Straftat im Sinne von § 86 StGB vorliege. Entgegen der Meinung des Staatsanwalts sah sie es nicht für gegeben an, dass es größerer kognitiver Prozesse beim Leser bedurft hätte, dies zu erkennen. Ob Hopkins Posts von der Meinungs- und Kunstfreiheit gedeckt seien, müsse deswegen gar nicht untersucht werden.
Dann wies sie Hopkins Vorwürfe gegen das Gericht und die deutsche Gesellschaft als haltlos zurück. Alleine der Freispruch zeige den Einfluss des Rechtsstaates. “In einem totalitären System”, wie Hopkins es in Deutschland sehe, “wären Sie nicht freigesprochen worden”, so die Richterin. Hopkins Ansicht, in Deutschland etabliere sich “ein neuer Totalitarismus” sei vielleicht einfach nur eine persönliche Sichtweise. Hopkins selbst argumentiere totalitär, wenn er diese Sichtweise als allgemeingültig propagiere. “Vielleicht haben viele Menschen die Masken nicht aus blindem Gehorsam getragen, sondern aus Rücksicht”, gab sie zu bedenken.
Sie beendete ihre Urteilsverkündung mit dem Fazit: “Ich halte Ihre Ausführungen vor diesem Gericht für idiologisches Geschwurbel, aber das ist ja nicht verboten. Deshalb sind Sie freizusprechen.” Daraufhin explodierte lauter Protest auf den Besucherrängen und die Richterin musste, erneut verärgert, wieder Ordnung im Gerichtssaal einfordern, bevor der Prozess ordnungsgemäß beendet werden konnte.
Ein Sieg für die Meinungsfreiheit
Ich persönlich halte § 86 StGB seit meinem Politikstudium für ein verfehltes Gesetz. Man kann Ideen nicht dadurch bekämpfen, dass man ihre Symbole verbietet. Das ist genauso verfehlt wie das idiotische Konzept des “Kriegs gegen den Terror”. Knapp 75 Jahre Bundesrepublik haben eindeutig gezeigt, dass Neo-Nazis nicht verschwinden, wenn man ihnen ihre Fahne oder den Hitlergruß verbietet. Und auch ihren Ideologien tut das keinen Abbruch. Alles was dieses Gesetz erreicht ist, eine künstliche Mystik um diese Symbole herum aufzuziehen, die vor allem junge Leute fasziniert und anzieht. Das funktioniert etwa so, wie wenn Firmen ihre Produkte künstlich verknappen, um Begehrlichkeiten und Hype bei den Kunden auszulösen — eine durchaus wirksame Marketing-Taktik.
Meiner Meinung nach sollte man Neo-Nazis wegen konkreter Taten — und meinetwegen auch Aussagen — belangen, die den Rechtsstaat und die Demokratie gefährden, und nicht wegen ihrer Symbole. Denn Gesetze wie § 86 StGB führen eher dazu, dass Menschen, die sich höchstens (wie Hopkins) des schlechten Geschmacks schuldig gemacht haben, belangt werden, als echte Feinde der Demokratie.
Ob einem die Gesetze nun aber gefallen, oder nicht, als verantwortungsvoller Bürger eines demokratischen Rechtsstaates muss man sie akzeptieren. Geändert werden Gesetze an der Wahlurne und nicht dadurch, dass man sie gezielt missachtet. In diesem Kontext bin ich froh, dass Hopkins freigesprochen wurde. Das ist ein klarer Sieg für die Meinungsfreiheit, auch wenn er von einem griesgrämigen, unfreundlichen Menschen errungen wurde. Obwohl ich in den Jahren 2020 und auch 2021 durchaus ähnliche Parallelen wie Hopkins gezogen hatte, denke ich, dass man diese Missstände besser ansprechen kann, und mehr Menschen erreicht, wenn man subtiler, nüchterner und weniger krass argumentiert.
Zumal ich immer noch der Meinung bin, dass dieser Prozess nicht sehr überraschend daherkam. Wenn man sich das Gesetz durchliest und dann Hopkins Tweets anguckt, kann man auch als juristischer Laie recht schnell sehen, warum die Polizei ermittelt hat und wie ein Staatsanwalt der Meinung sein kann, eventuell eine Verurteilung erwirken zu können. Das hat nichts mit einer Verschwörung des Staates gegen Hopkins zu tun, sondern allein mit den durch Hopkins gewählten rhetorischen Mitteln.
Trotzdem bin ich, wie gesagt, froh über das Urteil. Meiner Meinung nach ist es gerecht. Allerdings ist es noch nicht rechtskräftig und die Staatsanwaltschaft könnte noch Berufung einlegen.
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Die Epoch Times wird gerne als rechte, oder gar rechtsextreme, Zeitung beschrieben. Ich selber habe dort bisher nichts gelesen, was ich als besonders rechts bezeichnen würde. Konservativ, ja. Aber nicht rechtsextrem. Zumal mir gefällt, dass das aus der Falun-Gong-Religion hervorgegangene Verlagshaus — aus offensichtlichen Gründen — nicht vor der kommunistischen Diktatur in China kuscht, wie es viele Leitmedien tun. ↩︎
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“Ich mag dieses Gesetz. Ich will nicht, dass Nazis mit Hakenkreuzflaggen durch die Straßen von Berlin laufen. Ich bin Meinungsfreiheits-Absolutist, aber für Deutschland mache ich auf Grund seiner besonderen Geschichte eine Ausnahme.” (C.J. Hopkins) ↩︎
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Nach der Beweisaufnahme hatte die Richterin den Staatsanwalt gefragt, ob dieser auf eine Verlesung der Vorstrafen Hopkins aus dem Bundeszentralregister bestehe. Der Staatsanwalt bestand auf der öffentlichen Verlesung (keine Vorstrafen in Deutschland), da dies zur Bemessung des Strafmaßes in Betracht gezogen wird und er Hopkins als schuldig ansah. Die Frage der Richterin deutete darauf hin, dass sie nicht der Meinung war, ein Strafmaß bestimmen zu müssen — mit anderen Worten: sie wollte Hopkins freisprechen. ↩︎