Bloß keine Fehler zugeben

Ich kann mein Warenmanagement-System nicht bedienen, also lüge ich lieber den Kunden an, als mich zu entschuldigen.

Ungefähr so stelle ich mir den Menschen am anderen Ende des E-Mail-Austausches vor (Bild generiert mit Midjourney)

Was ist eigentlich in diesem Land los, dass Mitarbeiter von Firmen nicht mehr richtig arbeiten und dann ständig ihre dummen Flüchtigkeitsfehler mit dummen Ausreden entschuldigen und auf andere abwälzen wollen? Wenn ich heutzutage mit Firmen interagiere, machen deren Mitarbeiter in 90% der Fälle irgendwelche Fehler, die dann die Interaktion verzögern oder komplett torpedieren. Das ist keine Übertreibung. Ich feiere mittlerweile schon richtig, wenn etwas mal reibungslos abläuft, weil das so gut wie nie vorkommt. Vor zehn Jahren hat man mit Firmen interagiert und solche Fehler traten in 10% der Fälle auf. Was hat diese Umkehr bewirkt? Wie kann die Produktivität und Effektivität eines Landes in so kurzer Zeit so rapide vor die Hunde gehen?

Und als wenn das nicht ärgerlich genug wäre, zeitgleich hat die Professionalität derart abgebaut, dass niemand mehr Fehler zugeben kann und es dann immer auf andere schiebt. Aber natürlich so plump, dass Leuten mit mehr als drei Gehirnzellen sofort auffällt, dass es sich um eine dumme Ausrede handelt.

Neuestes Beispiel aus meinem Leben: Der Regler meiner Moto Guzzi V7 Special ist kaputt. Also recherchiere ich, welches Ersatzteil ich brauche und finde es beim größten deutschen Online-Handel für Italo-Bikes: auf Lager, sofort versandbereit. Ich denke: super! Ich rufe da gestern an und frage einen Mitarbeiter ob das Teil das ist, was ich suche. Er so: “Ich guck mal nach.” Tipp, tipp, tipp … “Ja, ist es.” Ich hab dann mal gefragt, wie man das Teil aus- und einbaut. “Wir haben keine Werkstatt, keine Ahnung” war die etwas flapsige Antwort. Da hätte ich von einem Spezialisten für Guzzi-Teile mehr erwartet, vor allem wenn mir deren E-Mail-Werbung ständig verkaufen will, wie kompetent der Laden bei dem Thema ist. Aber okay. Dann hab ich noch gefragt, ob das Teil wirklich vorrätig ist. Auch da kam ein “ja”. Ich so: “Okay, cool. Dann bestell ich das direkt.”

Ich zahle also €250 und bekomme eine Bestellbestätigung. Dann ist allerdings Funkstille für den Rest des Tages. Heute morgen hab ich dann mal nachgefragt, wann das Teil rausgeht. Ich bekomme folgende Antwort:

Leider haben wir den von Ihnen bestellten Regler nicht ab Lager verfügbar, da sich Ihre Bestellung mit einer anderen überschnitten hat und sich der Bestand in unserem Onlineshop nicht so schnell aktualisieren konnte. Dies haben wir Ihnen mit der Auftragsbestätigung mitgeteilt.

Daher müssen wir diesen nun für Sie bestellen. Derzeit rechnen wir mit einer Lieferzeit von ca. 2 Wochen.

Nein, das habt ihr mir nicht mitgeteilt! Ich hab gerade extra noch mal in eure Mails geguckt. Weder da, noch in den angehängten PDFs, steht was drin.

Und meine Bestellung hat sich mit einer anderen überschnitten? Bei so einem spezifischen Teil für ein Motorrad, von dem in Deutschland in allen Ausführungen seit 2012 nur knapp 6000 rumfahren? Wobei die Modellreihe mit diesem Regler nur für zwei Jahre gebaut wurde. Zumal mein Bike eines der ältesten dieses Modells ist und mit fast 100.000 gefahrenen Kilometern sicherlich in den oberen 5% dieser Bikes mitfährt. Solche Regler gehen eigentlich nur nach hoher Laufleistung oder bei Bikes kaputt, die deutlich älter als zehn Jahre sind. Diese Geschichte mit der zeitgleichen Bestellung ist äußerst unglaubwürdig. Das glauben die doch selber nicht.

Und was soll der Blödsinn mit der Bestand im Onlineshop konnte sich “nicht so schnell aktualisieren”? Was benutzen die bitte für ein Warenmanagement-System, dass das nicht automatisch und sofort nach Bestellung passiert? Haben die sich ihren Online-Shop aus Bambus zusammengezimmert?

Bullshit. Der eine Regler, der da im System “auf Lager” war, war gar nicht auf Lager. Da hat jemand ein Fehler gemacht und den Lagerbestand falsch verbucht und jetzt wollen die das nicht zugeben. Sowas ärgert mich wirklich ungemein! Fehler können passieren. Ist ja auch alles nicht so schlimm, auch wenn jetzt für mich wahrscheinlich eine einwöchige Motorrad-Tour ins Wasser fällt, weil ich mein Bike nicht rechtzeitig repariert bekomme. Aber gebt so was doch wenigstens zu! So viel Professionalität erwarte ich dann doch schon von einer Firma, die behauptet, in ihrem Gebiet die Kompetenz mit Löffeln gefressen zu haben. Von Höflichkeit und Zuvorkommen, die ein Kunde verdient hat, der schon mal mit €250 in Vorauskasse gegangen ist, ganz zu schweigen.

Der Händler hat auf meine Antwort-E-Mail, in der ich die oben genannten Zweifel an deren Geschichte geäußert habe, natürlich reagiert:

Wir können Ihre Skepsis in Bezug auf eine solche Überschneidung natürlich auch nachvollziehen. Bitte beachten Sie jedoch, dass wir nicht nur innerhalb Deutschlands verkaufen, sondern weltweit. Darüber hinaus beliefern wir auch zahlreiche Händler, die ebenfalls regelmäßig solche spezifischen Teile ordern. Entsprechend ist es nicht untypisch, dass sich Bestellungen zeitlich überschneiden können. Auch wenn wir alles daransetzen, solche Situationen zu vermeiden, lässt es sich in Einzelfällen leider nicht gänzlich ausschließen. Für uns ist das genauso wenig zufriedenstellend wie für Sie.

Da ich mir kaum vorstellen kann, dass deren Shop-System wirklich so schlecht ist, und da ich immer noch bezweifele, dass die wirklich so zeitnah zweimal dieses ziemlich spezielle Teil verkauft haben, habe ich wieder geantwortet und folgende Fragen gestellt:

  1. In Bezug auf die auf der Webseite des Händlers angegebene Shop-Software und das dort angegebene Warenwirschaftssystem, wie kann es sein, dass Lagerbestände nicht in Echtzeit aktualisiert werden?
  2. Wie gros ist der Teil des Umsatzes, den die Firma wirklich im Ausland macht?
  3. Wie oft wurde genau dieses Teil in diesem Jahr bestellt?

Außerdem habe ich darum gebeten, mir einen Auszug aus dem Warenwirtschaftssystem zu schicken, der zeigt, wann die beiden Bestellungen für dieses Teil eingegangen sind. Natürlich unter Schwärzung aller personenbezogenen Daten.

Die Antwort des Händlers:

Gerne möchten wir etwas genauer erklären, warum wir die [vom Software-Hersteller] angebotene Echtzeit-Datenschnittstelle nicht einsetzen. Grundsätzlich bietet unser Shopsystem diese Möglichkeit tatsächlich an. In der Praxis hat sich bei uns jedoch gezeigt, dass dies aufgrund unseres sehr großen Sortiments nicht sinnvoll nutzbar ist. Bei internen Tests kam es durch die enorme Datenmenge zu spürbaren Verzögerungen und teilweise sogar zu Ausfällen in der Shop-Performance. Damit der Onlineshop für alle Kunden stabil, zuverlässig und angenehm zu bedienen bleibt, haben wir uns bewusst für eine Lösung entschieden, bei der die Daten in festgelegten Intervallen abgeglichen werden.

Das sagt mir, dass die Software Schrott ist. In einer Welt, in der Amazon existiert, hört sich das nach finsterem Mittelalter an. Von zuverlässiger und angenehmer Bedienung kann auf diese Art ja wohl auch keine Rede sein, wenn man sich nicht mal auf so grundlegende Daten wie den Lieferstatus eines Produktes verlassen kann.

Wir können sehr gut nachvollziehen, dass Sie als Journalist an weiterführenden Informationen interessiert sind. Gleichzeitig bitten wir um Verständnis, dass wir zu sensiblen internen Details wie Verkaufszahlen, Bestellhistorien oder Lagerbewegungen keine Auskünfte erteilen.

Ich habe nach keinem dieser Details gefragt. Ich wollte einen nachvollziehbaren Beleg dafür, dass die recht unwahrscheinlich anmutende Geschichte, die man mir auftischen will, wahr ist. Das hätte man sicher bewerkstelligen können, ohne “sensible interne Details” preiszugeben. In Abwesenheit solcher Belege erscheint es mir meine initiale Vermutung dann doch als deutlich wahrscheinlicher, als die Aussage des Händlers.

Floskeln wie “wir haben offen und nachvollziehbar kommuniziert” und “bitte seien Sie versichert, dass wir Ihr Anliegen ernst nehmen”, die den Rest der E-Mail ausmachen sind natürlich wertlos. Ich habe immer noch das Gefühl, dass man Mist gebaut hat, das dann vertuschen wollte und sich jetzt so weit reingeredet hat, dass man aus dem Konstrukt der Unwahrheiten nicht mehr raus kommt. Natürlich kann ich das nicht beweisen, aber der gegenteilige Beweis, der einfach gewesen wäre, wurde halt auch nicht erbracht. Ich werde in Zukunft einen weiten Bogen um diesen Händler machen und allen davon abraten, dort zu bestellen.

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